…fehlt ihm die christliche Geduld“ , heisst es bei Wilhelm Busch über den (unter anderem) Pfarramtskandidaten Hieronymus Jobs. Doch das ist schade: Das Singen ist immer eine tolle Sache (wenn man eine brauchbare Stimme hat, auch in Gesellschaft). „Wer singt, betet doppelt“, sagt man öfters – dass ich es in meinem Buch Martin Luther zuschreibe, hat mir eine kritische Anfrage per Mail eingebracht. Ist das Zitat nicht von Augustinus? Leider nein. Wie so vieles wird dem großen Bischof von Hippo auch das untergeschoben – er hat zwar eine hohe Meinung vom Gesang, aber diesen Satz nicht geprägt.
Im spirituellen Bereich hat das Singen einen besonderen Platz, und zwar in drei Formen: Der älteste ist der des Psalmengesanges. Insbesondere im Stundengebet der Kirche lebt er noch weiter; Vesper und Laudes sollen, wenn irgend möglich, gesungen und nicht nur gesprochen werden. Die acht sogenannten „Kirchentonarten“, die viele noch aus dem Musikunterricht kennen, kommen aus diesem Zusammenhang. In der Tat ist das wechselweise Singen mit dem notwendigen Hören aufeinander, dem achtsamen Atemholen und den durch die Tonhöhe angedeuteten wichtigen Stellen etwas ganz Besonderes. Es war Augustinus von Hippo, der öfters darauf hinwies, und dem dies ein besonderes Anliegen war und dem die Musik immer wieder zum Bild der theologischen Aussage wird (z.B. Conf XII,29; De Trin IV, 2)
Ein zweiter Bereich ist der liturgische Volksgesang in der jeweiligen Landessprache. Die „geistlichen Lieder“ sind an sich eine alte Sache; schon früh im Mittelalter haben sich eingängige Reime um biblische Themen geschlungen; aber dass im eucharistischen Gottesdienst etwas anderes als lateinische Gesänge erklingen, ist noch relativ neu. Die Protestanten waren da der katholischen Kirche ein Stück voraus: Wenn sie´s nicht singen, glauben sie´s nicht, behauptete Luther, der etliche Choräle geschrieben hat, die sich auch im katholischen Einheitsgesangsbuch „Gotteslob“ finden.
Der dritte, heute nur noch wenig geübte und meist in Konzertsäle verbannte Bereich ist der des Oratoriums. Hier haben große Meister biblische (und legendarische) Themen in Musik gegossen und erfühlbar gemacht. Die Aufführung dieser großen Werke erfolgte meist in Kirchen. Im 19. Jahrhundert verlagerten sich die Aufführungen, soweit die Komponisten nicht in Vergessenheit geraten waren, in Konzertsäle, und gingen in der Anzahl generell zurück. Heute sind sie zu einer Seltenheit geworden – das ist bedauerlich, denn viele der Klassiker, man denke an Bachs Weihnachtsoratorium oder die Matthäuspassion, entfalten nach wie vor eine ungeheure Kraft.