Als Diakon überbringt man nicht nur die Krankenkommunion, sondern man wird auch zu schwer- und schwerstkranken Menschen gerufen, zu jenen, die in der letzten Lebensphase angekommen sind. Die meisten sind sich dessen bewusst; manche – wenige – wissen es tatsächlich nicht, einige wollen es nicht wahrhaben.
In jedem einzelnen Fall ist so ein Besuch eine Herausforderung, eine Nagelprobe für den eigenen Stand in der Religion, die uns doch gerade angesichts des Todes Zuversicht schenkt. Und nicht immer ist es einfach, diesen Stand sicher zu bewahren.
Es gibt Fälle, in denen ich hadere – wenn ich an meinen Freund Seppi denke, der mit wenig über 40 an einer heimtückischen Krebserkrankung verstorben ist; und ich weiß nicht, wie ich aus dieser abgrundtiefen Betroffenheit wieder herausgefunden hätte, hätte er sich von mir bei unserem letzten Treffen (ich besuchte ihn wenige Tage vor seinem Tod im Krankenhaus) nicht mit diesen Worten verabschiedet: „Weißt du, man muss auch an Jesus denken…“ Die Rollen hatten sich umgekehrt, und er – der wusste, dass ihm nur noch Tage bleiben – wurde zum Diakon an mir. Dafür und für diese geistliche Stärkung werde ihm immer dankbar bleiben.
Und dann gibt es Fälle, in denen man das Gefühl hat, dass das Sterben gelungen ist. Paradox? Gewissermaßen ja, aber dennoch wahr… Seit sechs Monaten ist der 75jährige Herr S. im Sterben gelegen. Schon seit Jahrzehnten beeinträchtigt von einem Schlaganfall und durchgehend hingebungsvoll betreut und gepflegt von seiner Frau und der ganzen Familie war er am Ende unfähig zu schlucken, hat sichtlich gelitten und konnte sich auch nicht mehr verständlich machen. Ich durfte ihn am Montag abend nochmals besuchen; es war kaum mitanzusehen, wie er litt und wie vor allem seine Gattin mit gelitten hat. Wir haben gemeinsam gebetet und ich habe versucht, ihm so gut ich es eben kann Mut zuzusprechen … in der Hoffnung, dass er noch einiges davon verstanden hat (die Tränen, die ihm ab und zu aus den Augen gerollt sind und der Blick, mit dem er mich verfolgt hat, die Hand, die er mir entgegengestreckt hat, all das sind für mich Indizien, dass ihm sehr wohl die Vorgänge um ihn herum zum Teil noch bewusst waren).
Nach einiger Zeit bin ich gegangen und habe ihm zugesagt, dass wir uns wiedersehen werden. Am nächsten Morgen habe ich erfahren, dass er in der Nacht sterben durfte. Und so eigenartig es klingt: Ich war berührt, aber dankbar. Das sind die Fälle, in denen Sterben eine Dimension des Gelingens annimmt, die ich erkennen kann. Das ist nicht immer der Fall, obwohl ich überzeugt bin, dass das nicht daran liegt, dass sie nicht da ist, sondern daran, dass ich sie nicht zu sehen vermag. Möge ich es langsam erlernen.