Das DDD-Prinzip

Wer mich näher kennt, könnte auf den Gedanken kommen, diese Abkürzung hätte mit Donald Duck zu tun (ich bin „Donaldist“, aber dazu schreibe ich sicher noch einmal einen eigenen Beitrag – das hat zumindest für mich nur sehr mittelbar mit Religion zu tun und wesentlich mehr mit Wissenschaft). Diese Spur ist aber ganz kalt. DDD steht für mich als Abkürzung für drei Leitworte, von deren Wichtigkeit ich zutiefst überzeugt bin: Demut, Dankbarkeit und Disziplin.
Huch, das klingt jetzt direkt bestürzend reaktionär… Lassen Sie mich bitte erklären, was genau ich damit meine:

Demut

Wir sind als Menschen in einer eigenartigen Situation; frei nach Blaise Pascal irgendwo zwischen absoluter Bedeutung und völliger Bedeutungslosigkeit – ein Universum im Vergleich zu einem Grashalm, ein Nichts im Vergleich zum Universum; ein „denkendes Schilfrohr“. Unsere Existenz spielt sich zwischen diesen Polaritäten ab; und wenn man zu sehr auf eine der beiden Richtungen fokussiert, gerät man in eine heikle Schieflage. Blickt man nur auf das Potential des Menschen, könnte man übermütig werden; blickt man ausschließlich auf seine Einschränkungen und die Unverfügbarkeit schon des eigenen, persönlichen Schicksals, winkt eine Depression.

Die Haltung, die ich dem gegenüber als angemessen empfinde, ist Demut. Demütig sein heißt: Sich bewusst sein, dass man keine absolute Bedeutung aus sich selbst heraus hat, und dass man sich selbst und seinem eigenen Leben auch keinen autonomen „Sinn geben“ kann, was immer auch Motivationstrainer oder Lebensberaterinnen behaupten mögen. Sinn beziehen wir immer von einer anderen Instanz, von etwas – oder jemandem – auf das oder den wir uns beziehen. In Demut steckt auch MUT: Es erfordert Mut, einzugestehen, dass ich existenziell auf anderes als mich selbst angewiesen bin, um nicht als leere Hülse ein Leben zu fristen, das nur aus Konsum, aus erkauftem Zuspruch oder überlautem Zeit-Totschlagen besteht. Dieser Existenzgrund definiert mich vom ANDEREN her.
Sinn beziehen wir als Christinnen und Christen von der Gewissheit, dass es jemanden gibt, der bedingungslos JA zu uns sagt, jeden Tag neu, und der unseren Namen, unser Wesen, unser Sein nicht vergisst, über alle zeitlichen und räumlichen Dimensionen hinaus (religiös ausgedrückt: In Ewigkeit).

Mir persönlich hilft es, mir einmal täglich – meistens morgens unmittelbar vor dem Aufstehen – den Satz zu sagen: „Ich bin völlig unwichtig“. Wichtigkeit, Bedeutung, Sinn wird uns jeweils von anderen zugesprochen, in letzter, in unverlierbarer Instanz von Gott selbst.

Dankbarkeit

Dass ich überhaupt bin, verdanke ich nicht mir selbst. Dass ich habe, was ich habe und bin, was ich bin, zum Teil; zum Teil aber auch nicht. Wenn ich es recht bedenke, verdanke ich ziemlich vieles anderen. Meinen Eltern, besonders meiner Mutter seligen Andenkens; meinen Geschwistern; den Freunden und Freundinnen, die ich habe und hatte; ganz besonders meiner Frau und meinen Kindern … so vieles hat im Laufe dieses Lebens zusammengespielt, damit ich ein Leben führen darf, das in so vieler Hinsicht so privilegiert ist. Es ist, so mag man hinzufügen, im Weiteren auch die Gnade der „richtigen“ Geburt – ich hätte auch in Lateinamerika auf die Welt kommen können statt in der Steiermark, oder in einer Zeit, in der die Umstände nicht so lebensförderlich waren wie heute. Aber: Wäre ich denn dann auch „ich“? Mit großer Wahrscheinlichkeit, sogar mit Sicherheit: Nein.
Deswegen kann ich auch nicht im engeren Sinne „stolz“ sein auf das, was ich scheinbar erreicht habe (da kommt auch das vorgenannte Stichwort ins Spiel). Es ist nur zu einem geringen Teil mein eigenes Verdienst, und wer mich kennt, hat sicher auch schon die Redensart von mir gehört: „Da hat der Herrgott mitgeschoben!“.
Ich bin kein besonders guter Christ, sondern ein sehr durchschnittlicher. Aber ich versuche mich zumindest einmal täglich daran zu erinnnern, wie viel ich bin/habe/besitze, was ich nicht mir selbst verdanke, und dafür in Gedanken denen, die es mit verantworten, ein DANKE zu sagen. Und dazu gehört für mich auch Gott, dieses DU, das mir gegenübersteht und dem ich Dank schulde für alles, was mir völlig unverdient geschenkt wurde und auch für alles, was mein Leben herausfordert und damit formt und prägt.
Dankbarkeit bedeutet: Ich setze mich nicht absolut. Dankbarkeit bedeutet: Ich gestehe ein, dass ich mich jemandem verdanke, dass ich nicht selbst mein eigener unbedingter Seinsgrund bin. Und Dankbarkeit bedeutet: Es bleibt nicht bei dieser Einsicht, sondern sie hat eine konkrete Folge – dass ich mich nämlich der Person zuwende, der ich zu Dank verpflichtet bin, und mich mit ihr in der Geste des Dankes in eine Beziehung setze.

Disziplin

„Discipuli“ nannte man im antiken Rom die Schüler. Jene also, die sich bewusst waren, das Ziel ihres (Ausbildungs)weges noch nicht erreicht zu haben und die sich daher täglich bemühen mussten. Disziplin hat heute – genau so wie die beiden schon besprochenen Wörter „Demut“ und „Dankbarkeit“ – einen seltsamen Beigeschmack; und von allen drei Worten ist Disziplin sicher das am wenigsten zeitgemäße. In einer Gesellschaft, die jahrelang durch die fast unbegrenzten Möglichkeiten des Bekommens und Habens hier und jetzt verwöhnt wurde, hat gerade die Coronakrise des Jahres 2020 eine Problematik hochgespült, die sonst fast unbemerkt geblieben wäre: Dass Disziplin im Sinne von „sich an Regeln halten, auch wenn sie nicht kontrolliert und sanktioniert werden“ etwas Sinnvolles, Wichtiges und Lebensrettendes sein kann.
Disziplin heisst für mich: Etwas tun, nicht weil ich es gern tue, sondern weil es schlicht sinnvoll ist. Es muss gar nicht notwendig sein. Ich würde gern länger im Bett bleiben, und in den Tagen des Home Office würde das nicht nur keiner Seele auffallen, sondern es wäre auch vordergründig egal. Ist es in Wirklichkeit aber nicht. Denn jedes Zugeständnis an meine eigenen Vorlieben will gut bedacht sein. Es nisten sich – zumindest bei mir, bei allen anderen Menschen mag es auch anders sein – sonst zuerst kleine, dann immer größere Abweichungen ein, die sich zuletzt in eine erkleckliche Verschwendung von Lebenszeit, von Ressourcen, letztlich von Potential für mich, für meine Familie, für Menschen, die mir anvertraut sind, für die Welt aufsummieren.
Wir tragen als Menschen eine Verantwortung, und zwar primär nicht für uns selbst, sondern für unsere Nächsten. Dieser Verantwortung können wir nur mit einem sinnvollen Maß an Disziplin gerecht werden. Das „sinnvolle Maß“ ist dabei aber wichtig: Es geht nicht um eine Regelkonformität auf Biegen und Brechen. Es geht vielmehr darum, in der Mehrzahl der Fälle, in denen man vor einer möglichen Entscheidung steht, die sinnvolle und wahrscheinlich unbequeme Variante zu wählen, auch wenn es niemand bemerkt. Es geht darum, eine vermeintlich günstige Gelegenheit, sich selbst einen Vorteil zu Lasten anderer zu verschaffen, nicht zu nutzen. Es geht darum, das Richtige zu tun und moralisch zu handeln, auch und vor allem, wenn man im Vorhinein schon weiß, dass es unbedankt bleiben wird.
Disziplin hat also auch damit zu tun, keinen Dank zu erwarten, selbst aber sehr wohl Dankbarkeit zu zeigen, wenn sie angebracht ist. Und damit, ehrliche Dankbarkeit, wenn sie mir selbst entgegengebracht wird, anzunehmen. Und zwar in Demut.

Und damit schließt sich wieder der Kreis der Begriffe. Ich weiß, dass dieses „DDD“ nicht die Lösung aller Probleme der Welt sein kann. NEIN, es gelingt mir bei weitem nicht immer, selbst nach diesen Leitworten zu leben, genau genommen gelingt es mir zu selten. Mir ist auch klar, dass es daran einiges zu mäkeln gibt, und dass es sicher bessere Varianten der Lebensführung gibt.

Aber ich bin überzeugt, dass es schlechtere Varianten gibt, und dass diese drei Worte, wenn sie konsequent und immer in dieser Kombination gelebt würden, unsere Überlebenschancen in Frieden und in Gerechtigkeit deutlich steigern würden.


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