Rund um Ostern gibt es einen ungewöhnlichen Reichtum an lokalem und überregionalem Brauchtum, was kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass dieses Fest das erste, größte und älteste der gesamten Christenheit ist. Einige dieser Bräuche befassen sich mit Segnungen, die nur einmal im Jahr vorkommen – in unserer Region, in der Steiermark, sind zwei davon besonders bekannt und auch bei kirchenfernen Personen beliebt: Die Segnung der Palmzweige am Palmsonntag, vulgo Palmweihe, und die Segnung der Osterspeisen am Karsamstag, vulgo Fleischweihe.
Natürlich sind beides Segnungen und keine Weihen. Geweiht wird ein Gegenstand, der vom Weiheakt an ausschließlich für den religiösen Zweck bestimmt ist – ein Altar zum Beispiel – oder eine Person, die ihr ganzes weiteres Leben unter das Vorzeichen der Gottesbeziehung stellen will, ein Priester oder eine Äbtissin zum Beispiel.
Nun haben wir im Jahr 2020 eine besondere Situation – bedingt durch die Maßnahmen zur Einbremsung der Coronainfektionen finden die beliebten öffentlichen Segnungen nicht statt. Dennoch muss niemand auf seinen/ihren „Palmbuschen“ oder das „Weihfleisch verzichten, denn: Durch die Taufe hat jeder Christ und jede Christin – wie es schon im Taufritus heisst – Anteil an Jesus von Nazaret, dem Christus, der, „Priester, Prophet und König in Ewigkeit“ ist. Aus diesem „allgemeinen Priestertum“ ist jeder und jede berufen, zu segnen. Im privaten Bereich – in der Familie, in der „Hauskirche“ – ist es selbstverständlich, dass man die eigenen Palmzweige und die eigenen Osterspeisen segnen darf. Denn in letzter Konsequenz heisst ein Segen immer: Gott selbst um SEINEN Segen bitten.
Freilich: Es ist nicht so „schön“ oder „stimmungsvoll“ wie im Rahmen einer großen kirchlichen Feier, und ein Vaterunser, das hunderte Menschen gemeinsam sprechen, ist ein großes Erlebnis; vollends unersetzbar ist der Empfang der Heiligen Kommunion. Und doch sind diese privaten Segensfeiern absolut gültig, wenn sie im rechten Geist ausgeführt werden.
Ein Strukturvorschlag für die private Segensfeier
Ich empfehle, neben den zu segnenden Dingen einige Zeichen bereitzustellen, die der Andacht und dem Gebet dienen: Weihwasser, eine brennende Kerze, ein Kreuz oder eine Christusikone. Gut ist es, wenn mehrere Menschen gemeinsam beten; idealerweise kann man dann so viel wie möglich gemeinsam bzw. abwechselnd machen. Der Ablauf einer Segnung kann dann etwa so aussehen:
- Beginn mit dem Kreuzzeichen
- Den Sinn der Feier nochmals in Erinnerung rufen: „Wir wollen Gott um seinen Segen für …. bitten.“
- Besinnung auf die eigenen Schwächen und die Bitte um Gottes Vergebung für die eigenen Sünden und seine Hilfe zur Versöhnung mit den Menschen, mit denen man unversöhnt ist.
- Lesung aus der Heiligen Schrift (eine passende Bibelstelle, für die Segnung von Palmzweigen z.B. den Bericht von Jesu Einzug in Jerusalem am Palmsonntag, Matthäusevangelium Kapitel 21)
- Segensgebet: Die Bitte um Gottes Segen, begleitet vom Kreuzzeichen über dem zu segnenden Gut und dem Besprengen mit Weihwasser
- Gemeinsames Vaterunser
- Abschließender Gedanke
- Beendigung der Segensfeier mit demKreuzzeichen
Das ist freilich nur ein Vorschlag, aber einer, von dem mir die Erfahrung gezeigt hat, dass er funktioniert. Die allermeisten Diözesen haben sehr gute Vorlagen für Segensfeiern veröffentlicht, mit Textvorschlägen und sehr guten Denkanstößen. Diese sind kostenlos im Internet herunterzuladen – es ist sinnvoll, davon Gebrauch zu machen.
Segnen wir. Segnen wir noch viel mehr. Segnen wir, indem wir unseren Kindern ein Kreuzzeichen auf die Stirn geben; segnen wir, indem wir ein kurzes Tischgebet sprechen; segnen wir, indem wir ein konkretes Vorhaben mit den Worten „In Gottes Namen!“ beginnen. Trauen wir uns zu segnen. Wir sind dazu berufen, nicht nur zu Ostern bzw. „alle heiligen Zeiten, sondern immer und jederzeit, denn: „Ihr sollt ein Segen sein“ (Sach 8,13).